Die Hirnforschung zeigt, dass nicht Geld, Status und Luxus sondern die Qualität unserer Beziehungen wesentlich sind, dass wir von einem glücklichen Leben sprechen.

Unsere Gedanken sind das Ergebnis elektrischer Erregungsmuster. Welche sich durchsetzen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn wir denken, bewertet unser Gehirn unsere aktuellen Erlebnisse auf Basis vorhandener Strukturen. Das führt zur permanenten Selbstbestätigung und Verfestigung von Annahmen und Positionen. 

Unser Gehirn steht bereits im Mutterleib in Kontakt mit der Außenwelt und unter ihrem Einfluss. Die ersten Eindrücke nach der Geburt speichert unser Gehirn das ganze Leben. Ein Säugling ist noch keine Stunde auf der Welt und kann schon die Mimik der Mutter nachahmen. Dafür sorgen unsere Spiegelneuronen. – ein Resonanzsystem im Gehirn, das Gefühle und Stimmungen anderer Menschen widerspiegelt. Signale können so schnell gesendet und eindeutig verstanden werden. 

Unser Gehirn ist süchtig nach Belohnung. Etwas, das wir selbst können und selbst tun, treibt uns an – durch Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin. Dopamin wird dann ausgeschüttet, wenn Erfolg erwartet wird oder wir uns selbst belohnen. Unser Gehirn belohnt uns umso stärker, je mehr wir selbst etwas geleistet haben. Und es merkt sich, wie wir es geschafft haben. Dopamin steigert somit auch die Lernfähigkeit des Gehirns. 

Stress bringt uns dazu, unangenehme oder bedrohliche Momente zu überwinden und erfolgreich zu sein. Bedrohlich wird Stress dann, wenn das, was der Körper eigentlich zur schnellen und punktuellen Krisenbekämpfung vorgesehen hat, zum Dauerzustand wird. Permanenter Stress erhöht die Produktion des Hormons Cortisol. Dieses blockiert die Erholungsphasen und verhindert mentale Reparaturprozesse. Langfristig kann zu viel Stress zu Depressionen führen und das Risiko erhöhen, im Alter an Demenz zu erkranken. 

Solange uns unsere Erklärungen für unser Handeln stimmig scheinen, fühlen wir uns gut, weil wir Kohärenz spüren. Auch dann, wenn es für andere keinen Sinn ergibt. „Gelingendes Leben“ gründet auf diesen vier Säulen: „auf guten Beziehungen, aktivem Handeln, ausreichender Stressregulation und auf dem subjektiven Gefühl von Kohärenz“. 

Neurobiologisch lässt sich Zufriedenheit als Zustand definieren, in dem die Gefühle und der Verstand im Einklang stehen. Das limbische System und die Großhirnrinde sind dann in Balance. Leider ist dieses Streben nach Stimmigkeit auch die Ursache vielen Übels. Unser Gehirn neigt im Zweifel dazu, sich die Welt ein wenig zurechtzubasteln. Hauptsache, das Bild ist stimmig. Beispielsweise ist es für das limbische System egal, ob Gefahren echt oder eingebildet sind: Angst ist in beiden Fällen das Ergebnis. Unser Verstand kann lernen, die Denkanstöße des limbischen Gefühlssystems zu erkennen und einzuordnen. 

Unser Gehirn liebt es, wenn wir etwas selbstbestimmt aus freiem Willen tun und uns auf ein Ziel konzentrieren. Unsere Neugier treibt uns an. Im Idealfall sorgt unser Gehirn für realistische Ziele und klare Wegvorgaben. Stress kann uns zwar kurzfristig zu Hochleistungen bringen, doch wenn er aufgrund von Überlastung, schwelenden Konflikten oder Traumen zum Dauerzustand wird, macht er uns krank. 

Unser Gehirn ist unentwegt damit beschäftigt, die eigenen Entscheidungen als folgerichtig, schlüssig und zusammenhängend erscheinen zu lassen. Das gibt uns das gute Gefühl, sich auszukennen. Ein kleiner Schritt in Richtung eines guten Lebens besteht darin, sich dann und wann ein Häppchen Kohärenz zu servieren: Bei umfangreichen Projekten sollten wir das Gehirn nicht auf das große Ganze vertrösten, sondern den Prozess in viele Teilschritte und Zwischenziele aufteilen. Jeder Etappensieg ist dann ein kleines Kohärenzfest. Übertreffen Sie das selbst gesetzte Ziel sogar, ist das Wohlgefühl aufgrund des „Effekts der positiven Überraschung“ sogar noch größer. Wenn wir Ergebnisse mit anderen teilen, stärkt das nicht nur Bindungen und Beziehungen, sondern es verschafft uns ebenfalls den Genuss der Kohärenz. 

Damit unser Leben gut und sinnvoll sein kann, müssen wir in einer „hirngerechten Gesellschaft“ leben. Diese Gesellschaft muss nicht nur unseren physischen, sondern auch unseren psychischen Bedürfnissen entsprechen. Vor allem aber sollte eine hirngerechte Gesellschaft unsere Bindungen festigen und die Wertschätzung für Beziehungen stärken, schon im Kindes- und Jugendalter und sowohl im Elternhaus als auch in der Schule.

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