Karl Kreuser, Karin Sonnleitner, Cristina Lenz, Sascha Ferz (Hrsg.)
Waxmann Verlag, 2022, 144 Seiten
Der Sammelband „Beratungskompetenzen für Mediation, Coaching und Supervision“ greift ein Thema auf, das auch für Führungskräfte zunehmend relevant ist: Welche Fähigkeiten braucht es, um Beratungs- und Transformationsprozesse wirksam zu gestalten?
Die Herausgeber*innen und Autor*innen – ausgewiesene Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis – gehen der Frage nach, was Beratungskompetenz im Kern ausmacht.
Grundlage bilden dabei die Kompetenztheorie von Volker Heyse und John Erpenbeck. Ihr Verständnis von Kompetenz als „Handlungsvoraussetzungen“ definiert Kompetenzen als grundlegende Fähigkeiten, „sich in neuen, offenen, unüberschaubaren, dynamischen Situationen zurechtzufinden und aktiv zu handeln“.
Damit wird deutlich: Kompetenz bedeutet mehr als bloßes Wissen oder technische Fertigkeit – es geht um die Fähigkeit, in Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben und Neues zu gestalten.
Das Buch gliedert sich in mehrere Beiträge, die ein gemeinsames Fundament teilen:
- Karl Kreuser definiert Beratungskompetenz und verdeutlicht, dass Berater*innen ihre Klient*innen nicht mit Lösungen versorgen, sondern sie befähigen, eigene Ressourcen und Kompetenzen zu aktivieren.
- Sascha Ferz und Karin Sonnleitner präsentieren empirische Ergebnisse einer Befragung von Mediator*innen: Im Vergleich der Jahre 2010 und 2021 zeigt sich ein klares Ranking der acht wichtigsten Kompetenzen. Besonders personale und soziale Kompetenzen – allen voran Kommunikationsfähigkeit – gelten als erfolgskritisch, nicht primär Fach- oder Methodenkompetenzen.
- Cristina Lenz entwickelt Ansätze für eine zukunftsfähige Ausbildung in Mediation und zeigt praxisnah, wie durch erfahrungsorientiertes Lernen, etwa in Rollenspielen, Beratungskompetenzen nachhaltig entwickelt werden können.
- John Erpenbeck reflektiert über die zentrale Rolle von Werten: Sie sind die Kerne jeder Kompetenz. Gerade in Konflikten zeigt sich, dass es nicht um fehlendes Wissen geht, sondern um unterschiedliche Wertorientierungen – eine Einsicht, die auch für Führungskonflikte höchst relevant ist.
- Weitere Beiträge, etwa zur Ausbildungspraxis in der Schweiz (Yvonne Hofstetter Rogger) oder zur Entwicklung einer mediativen Haltung (Thomas Hobrecht), verdeutlichen die gesellschaftliche und institutionelle Dimension klient*innenorientierter Beratung.
Es gibt keine Kompetenz ohne Wissen. Aber: Wissen ist keine Kompetenz
Die zentrale Botschaft des Buches reicht weit über die Beratungsprofession hinaus: Kompetenz schließt Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen vollständig ein. Man kann über enormes Wissen verfügen und dennoch handlungsunfähig sein – Erpenbeck spricht in diesem Zusammenhang von der „hoch qualifizierten Inkompetenz“.
Für die Mitarbeiter*innen-Entwicklung bedeutet das: Führungskräfte sollten nicht allein auf Wissensvermittlung setzen, sondern durch gezielte Kompetenztrainings dazu beitragen, dass Mitarbeitende die Fähigkeit erlangen, ihr Wissen in selbstorganisiertes, kreatives Handeln zu übertragen und in neuen Situationen wirksam anzuwenden.
Damit eröffnet der Band eine wichtige Perspektive für moderne Führung: In Zeiten wachsender Komplexität und Unsicherheit bedeutet Führung, Räume für Dialog und Selbstorganisation zu schaffen, Mitarbeitende zur Eigenverantwortung zu befähigen und Kompetenzen ganzheitlich – also inklusive Werteorientierung – zu fördern.
Beratungskompetenz wird damit zu einer Schlüsselressource, um Teams durch Veränderungsprozesse zu begleiten und tragfähige Lösungen gemeinsam zu entwickeln.
Wer verstehen möchte, wie Kompetenz als handlungsleitende Fähigkeit funktioniert und warum Werte, Dialogfähigkeit und Prozessgestaltung für nachhaltige Führung entscheidend sind, findet hier eine substanzielle und anregende Lektüre.
„Beratungskompetenzen für Mediation, Coaching und Supervision“ lädt Führungskräfte ein, die eigene Rolle nicht nur als Entscheider, sondern auch als Prozessgestalter und Kompetenzentwickler neu zu reflektieren.
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