Remote Leadership (auch: Distance Leadership, Führen auf Distanz) ist per Definition das Führen von MitarbeiterInnen aus der Ferne. MitarbeiterInnen, (virtuelle) Teams und Führungskräfte befinden sich physisch an unterschiedlichen (Unternehmens-) Standorten.

Unsere Arbeitswelt verändert sich unter dem Einfluss von Corona und der Energiekrise erheblich. Arbeitsorte und Arbeitswelten, die technisch auch vor der Pandemie möglich waren, wurden insbesondere durch Corona, „zwangsweise“ realisiert (Homeoffice, Online-Meetings, etc.). Fach- und Arbeitskräftemangel erfordern anderes Vorgehen und neue Ideen zur Umsetzung von Aufgaben.

Viele Unternehmen haben inzwischen positive Erfahrungen mit der neuen Arbeitswelt gemacht. Virtuelle Kommunikation und virtuelle Zusammenarbeit sind die Regel. Homeoffice spart Mitarbeiter*innen lange Wege zum Arbeitsplatz und ermöglicht zeitliche Flexibilität:

  • Siemens will im Rahmen seines “New Normal Working Models” in Zukunft dauerhaft stark auf Homeoffice setzen.

Andere Unternehmen und Mitarbeiter*innen wollen in die alten Arbeitswelten zurück:

  • Elon Musk, der Chef des Elektroautobauers Tesla, will dagegen seine Mitarbeiter*innen mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro sehen. Andernfalls müsse er davon ausgehen, „dass diese Person das Unternehmen verlassen hat“.

Sicher ist, mit den Veränderungen im Umfeld verändert sich auch die „Führungsarbeit“. Remote Leadership wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Der Schwerpunkt von Führung liegt nicht mehr auf der inhaltlich exzellenten Arbeit, sondern darin, Menschen dazu zu befähigen, in sozialer Interaktion gemeinsame Ziele zu erreichen.

(Céline Schillinger, Dare to un-lead, The Art of Relational Leadership in a Fragmented World)

Führung heißt in Zukunft nicht mehr Macht, Herrschaft und Anordnung, sondern Motivation, klare Vereinbarungen und intensiver Austausch (virtuell und Face-to-Face) mit den Mitarbeiter*innen. Die Herausforderung besteht darin, die entstehende physische und soziale Distanz zu überwinden. „Aus den Augen“ darf nicht heißen „Aus dem Sinn“.

Viele Mitarbeiter*innen wünschen sich, u.a.

  • verständlich kommunizierte Aufgaben und Ziele
  • klare und eindeutige Anweisungen ihrer Führungskraft.
  • Eigenverantwortlich agieren können und dürfen, ohne permanente Kontrolle
  • Austausch mit und Feedback von Führungskräften und Kollegen
  • Wertschätzung und Vertrauen.
  • Gesprächsmöglichkeiten auch über die eigene Aufgabe hinaus.

Führungskräfte sollten

  • Veränderungen bei sich selbst und in der Zusammenarbeit akzeptieren
  • bei der Veränderung vorangehen
  • das notwendige Umfeld schaffen
  • Organisationsstrukturen zusammen mit den MitarbeiterInnen anpassen bzw. völlig neugestalten
  • Vertrauen und Freiraum schenken
  • Eigeninitiative und Selbständigkeit fördern.

Was sind u. a. Elemente bzw. unterstützende Komponenten dieser veränderten Arbeits- und Führungswelt?

Ressourcen und Befähigung

Zunächst müssen die benötigten funktionierenden Arbeitsmittel im Unternehmen und an den externen Standorten vorhanden sein. Dabei geht es einmal um Hard- und Software, aber auch um stabile Verbindungen mit entsprechenden Kapazitäten.

Das Know-how zur Bedienung und die Motivation, diese zu nutzen, müssen sich sowohl die Führungskraft als auch die Mitarbeiter*innen aneignen. Förderlich ist darüber hinaus eine Begleitung durch Coaching und Erfahrungsaustausch von Führungskräften und Teams. Für die Führungskraft stellt sich auch die Frage: „Kann und will ich remote bzw. hybrid führen?“

Klarheit der Aufgaben:

Im Vordergrund sollte das Vermittlung des Ziels bzw. des Ergebnisses stehen.

Handlungssicherheit für Mitarbeiter*innen kann durch entsprechende klare und eindeutige Regeln und Vereinbarungen und die Kommunikation des „Wozu“ geschaffen werden. Dazu gehören u.a. Regeln zu Erreichbarkeit, Darstellung übergeordneter Arbeitsabläufe, vereinbarte Schnittstellen. Diese sollten nicht vorgegeben, sondern gemeinsam erarbeitet werden.

Dabei sind zugestandene Freiräume der Mitarbeiter*innen für die selbständige Gestaltung der Arbeitsabläufe erforderlich. Dies bietet auch die Möglichkeit, vorhandene Potenziale und Ideen einzubringen.

Kontakt zu Mitarbeiter*innen

Führungskräfte sind oft unsicher, ob die strategische Ausrichtung von Aufgaben klar ist und die übertragenen Arbeitsaufgaben korrekt erfüllt werden. Ebenso besteht Unsicherheit, ob bei Mitarbeiter*innen Unklarheiten oder Unsicherheiten in Bezug auf die eigenen Arbeitsaufgaben aufkommen, die aber nicht geäußert werden.

Zunächst sollte die Führungskraft ihre Mitarbeiter*innen kennen, ihre persönlichen Eigenschaften, ihre Vorerfahrungen, ihre Qualifikation, ihr Rollenverständnis, ihre Wert- und Zielvorstellungen und auch ihre Erwartungen an „Führung“.

Die Führungskraft sollte kontinuierlich in Erfahrung bringen, an welchen Stellen Handlungsbedarf seitens der Führungskraft besteht. Dabei gilt es als große Herausforderung über E-Mail, Telefon oder Video ein Gespür dafür zu bekommen, welche Bedürfnisse der/die Mitarbeiter*in aktuell hat, wo Unsicherheiten oder Ängste bestehen und ob es möglicherweise andere private Belastungssituationen im Homeoffice gibt.

Rückmeldungen zu Regeln sind durch entsprechende Mitarbeiter*innen-Gespräche und -Befragungen zu erlangen, nicht jede Regel und jedes Vorgehen funktioniert für jede Mitarbeiter*innengruppe und jede Situation.

Das Aufrechterhalten der Beziehung zwischen den Führungskräften und den Personen im Team ist eine der wichtigsten Aufgaben. Der gewohnte Austausch, der bisher durch die physische Nähe und Interaktion im Büro erleichtert war, auch durch Pausengespräche, muss anders sichergestellt werden.

Kontakt zu Kolleg*innen

Durch die Einbindung in die Gestaltung der Arbeit und Arbeitsabläufe können vorhandene Potenziale genutzt werden.

Hierzu brauchen Mitarbeiter*innen Zeit und Raum für die Diskussion und die Umsetzung von Erfahrungen, incl. einer zugelassenen Fehlerquote.

Dies sollte das eigene Team, aber auch benachbarte Kolleg*innen und Arbeitsabläufe betreffen.

Emotionen und Empathie

Nicht zu unterschätzen ist für Mitarbeiter*innen und Führungskraft auch das physische Kennenlernen. Es ist einfacher, mit Personen Online, per E-Mail etc. zu kommunizieren, die sich persönlich gesehen und kennengelernt haben.

Die Führungskraft sollte neben Zielen und Aufgaben Empathie und Emotionen nicht aus dem Auge verlieren.

Sie sollte Raum für informellen Austausch schaffen und zulassen, sodass auch Themen ausgetauscht werden, die nicht direkt arbeitsbezogen sind. Dies fördert die Zusammenarbeit, das „Wir“-Gefühl, ermöglicht Vernetzung und schafft Raum für neue Ideen.

Auch in der neuen Arbeitswelt ist das Lob von guten Leistungen einer Person im Team und das Feiern von Erfolgen ein wichtiger Motivationsfaktor. Incentives können die Mitarbeiter*innenbindung und -motivation auch im Homeoffice fördern.

Größere Unternehmen bieten ihren Mitarbeiter*innen und Führungskräften mittlerweile z. B.  begleitende Gesundheitsprogramme an.

Es wird auch in Zukunft kaum nur Remote Leadership geben. Das macht aber die Herausforderung noch größer. Ein Teil der Mitarbeiter*innen ist im Büro, ein Teil im Homeoffice. Für die Führungskraft bedeutet das: Sie muss präsent, hybrid und remote führen können und wollen.

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