In letzter Zeit habe ich mehrere Gespräche mit Führungskräften gehabt, in denen mir die Begriffe Know-How, Skills und Kompetenzen praktisch gleichwertig um die Ohren geflogen sind. Aber was ist nun was?

Ich habe letzte Woche eine Runde Golf gespielt, und mein Flightpartner hat mir ein paar sehr spannende Beobachtungen verschafft, die ich gerne teilen möchte.

Gleich am ersten Abschlag hat er sich vorgestellt und mir erzählt, dass er Anfänger ist. Er spielt seit drei Jahren, mehr oder weniger unregelmäßig auf verschiedenen Plätzen rund um Wien. Er geht zu keinem Pro mehr, weil der ihm nichts mehr beibringen kann. Er schaut regelmäßig YouTube-Videos der großen Golfer und hat es so geschafft, sich den Schwung von einem Spitzenathleten anzutrainieren. Drives unter 200m Länge gibt es nicht mehr, und auch am Fairway kann er die Bälle normalerweise weit besser als sein Handicap schlagen.

Ein Blick in sein Bag sagte mir, dass er sehr viel Wert auf seine Ausrüstung legt. Die Eisen waren das aktuelle Modell einer bekannten Schlägermarke, Driver, 3er-Holz, 5er-Holz – alles vom Feinsten. Der Ball, den er zu Tage förderte, war in der gehobenen Preisklasse. Auch seine Kleidung war aus der heurigen Collection.

Ich spiele mittlerweile die 16. Saison, betrachte mich als gutes Mittelfeld und war schon gespannt auf die nächsten 2 Stunden mit dem Flightpartner.

Er stellte sich auf den Abschlag, visierte eine Stelle auf dem Fairway an, führt 3 bis 4 Probeschwünge durch, stellte sich zum Ball und drosch mit dem Driver auf den Ball, völlig anders als beim Probeschwung. Leider unterschlug er den Ball und statt mit einem großen weiten Bogen zu starten und irgendwo zwischen 150 und 200 m zum Liegen zu kommen, stieg der Ball kerzengerade in die Höhe und kam nach rund 60 Metern wie ein Stein von oben wieder zurück aufs Fairway und blieb dort liegen – im „ Golfer-Fachjargon“ ein Bürgermeister.

Mein Flightpartner schaute zuerst verdutzt und begann dann zu schimpfe. Die Wortwahl war einer Wiederholung nicht würdig. Für mich interessant war, dass er zuerst auf den Wind schimpfte, der nicht da war, dann auf den Driver, der immer nach links zog, dann auf das vorbeifahrende Auto, dass ihn abgelenkt hatte usw. Er konnte sich gar nicht beruhigen und kochte wie ein kleiner Vulkan vor sich hin.

In der Zwischenzeit hatte ich abgeschlagen, und wir erreichten seinen Ball. Es waren noch ca. 200 m bis zum Wasserhindernis, dahinter lag das Grün. Als Nächstes griff er zum 3er-Holz, weil er ja „Boden gut machen“ musste, stellte sich wieder in Position, drosch auf den Ball, und …

Klar, der Ball flog zwar, allerdings in einer ungewollten Rechtskurve und blieb nach rund 120 m liegen. Ab dem zweiten Schlag richtete sich sein Schimpfen gegen sich selbst. Er haute verbal auf sich selbst ein, ob er heute wohl zu blöd wäre, einen graden Schlag durchzuführen usw.

Es waren immer noch rund 120 m aufs Grün und ein kleines Bächlein lag genau vor dem Grün quer. Wie nicht anders zu erwarten, fiel der Ball mit dem dritten Schlag ins Wasser und versank im Schlamm. Damit ärgerte sich mein Flightpartner umso mehr, griff sich fluchend einen weiteren Ball, den er dann mit viel zu viel Kraft hinter das Grün schoss. Er lag dann mit dem vierten Schlag am Grün, und benötigte drei Puts, um das Loch zu Ende zu spielen.

Warum erzähle ich diese Anekdote?

Mein Flightpartner hat Bücher gelesen und sich Videos von guten Spielern angeschaut und so herausgefunden, was sie machen und wie sie den Ball treffen. Er hat Wissen über den Golfsport erworben. Dann war er beim Pro, dem Golftrainer und hat sich die Grundlagen zeigen lassen. Er hat damit sein Wissen zum Anwendungswissen erweitert.

Um vom Anwendungswissen zum Aufbau von Fähigkeiten zu kommen, braucht es Übung, um dieses erworbene Anwendungswissen möglichst oft auch anzuwenden, sodass sich Routinen bilden, die man dann später abrufen kann. Im Golfsport sind das sogenannte Vorbereitungsroutinen und natürlich auch die Entwicklung des Schwungs. Ein Anfänger braucht viele tausend Bälle, um einen stabilen Schwung zu entwickeln. Das erfordert Zeit und Geduld.

Viele Spieler wollen das nicht wahrhaben, stellen sich auf die Driving Range, klopfen vor der Runde 10 Bälle raus, gehen dann auf den Platz und glauben so zu spielen, wie sie es sich vorstellen, weil – die Profis machen das ja auch.

Tja, damit das funktioniert, muss der eigene Körper jeden einzelnen Ablauf so verinnerlicht haben, dass ich den Schwung wirklich in Gedanken durchführen kann, und er in „echt“ auch so funktioniert. Erst ab diesem Moment sprechen wir von Kompetenz. Gerade Golf ist ein Sport, in dem diese Kompetenz einer permanenten Übung bedarf, um in der Form erhalten zu bleiben.

Kompetenz im Golfsport bedeutet, dass ich auf der Runde mir genau vorstelle, wo ich hinschlagen möchte. Ich wähle den richtigen Schläger für die gerade herrschenden Bedingungen (das können bis zu drei Schläger Unterschied sein, bei starkem Wind).

Ich kann die richtige Position einnehmen, egal ob der Ball bergauf, bergab oder flach zum liegen gekommen ist. Ich konzentriere mich genau auf den Schlagmoment, schwinge durch und versuche durch den Ball hindurchzuschlagen. Habe ich alles richtig gemacht, ist die Chance sehr hoch, dass der Ball dorthin fliegt, wo ich es mir überlegt habe.

Ich gebe den Schläger wieder in mein Bag, gehe auf den Ball zu und konzentriere mich wieder genau auf den nächsten Schlag, so lange, bis der Ball im Loch versenkt ist. Ich spiele gegen meine eigene Spielstärke und nicht gegen einen Gegner. Jeder Fehlschlag ist mein Fehler, und niemand anderer ist schuld.

Wenn der Schlag danebengegangen ist, nutzt es nichts, darüber zu lamentieren. Schon Tiger Woods hat einmal gesagt: „Ich ärgere mich 30 Schritte, und dann konzentriere ich mich auf den nächsten Schlag.“ Der beste Golfer-Witz ist übrigens: „Jetzt kann ich es!“ Golf ist lebenslanges Lernen.

Der Kompetenzaufbau in der Zusammenarbeit mit anderen ist sehr ähnlich zu betrachten. Es geht dabei darum, die richtigen Methoden und Werkzeuge auszuwählen und miteinander zu üben, so lange, bis eine gewisse Perfektion eintritt, immer wieder. Man ist auch bei diesem Thema nie fertig.

Warum mir die Golfanalogie beim Kompetenzaufbau so gut gefällt – ich allein habe es in der Hand, ob der Schlag gelingt. Ärgern kann ich mich nur über mich selbst. Hilft mir das besser zu werden? Nein – aber sich darauf zu konzentrieren, was man schon gut kann, und das weiter zu perfektionieren – das hilft. Genauso wie bei der Zusammenarbeit mit anderen.

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